Berührt – geführt!

Ganz strikt wird sie eingehalten, die Regel: berührt – geführt. Schachspieler lernen das von Anfang an. Erst nachdenken, dann entscheiden, dann anfassen. Mal eben hier den Turm berühren, wieder loslassen, dann die Dame, dann den Bauern, das gibt es nicht. Ziemlich streng erscheint das. Es ist aber hilfreich: ich muss eindeutig zu erkennen geben, was ich will, und mein Gegenüber kann sich darauf einstellen. Das wäre ja auch im „richtigen“ Leben nicht schlecht, vor allem da, wo Menschen sich aufeinander einlassen.

Berührt – geführt. Die beiden Wörter haben einen noch tieferen Sinn. „Berührt“ werden, das hat etwas mit unserem Inneren zu tun. Es gibt anrührende Filmszenen, zu Herzen gehende Schicksale, ergreifende Begegnungen. Und „geführt“ werden hat geradezu einen religiösen Klang: „…er führet mich auf rechter Straße“ heißt es im 23. Psalm von Gott. „Berührt – geführt“: So gesehen ist das keine strikte Regel wie beim Schachspiel. Es ist ein Lebensgefühl, das trägt. „Und ob ich schon wanderte im finstern Tal, du bist bei mir“. Zahllose Menschen haben diese Erfahrung gemacht. Sie fühlen sich angerührt von Gott und in ihrem Leben geführt. Schweres hat sie nicht von Gott weggetrieben, sondern sie sind dankbar für die seelischen Kräfte, die ihnen geschenkt werden. Berührt – geführt: Gottes Zusage an uns.

 

Nichts passiert!

Gedanken für die Woche

Sensationell! Gestern wurden in Deutschland siebenundfünfzig Verkehrsunfälle verhindert. Dreiunddreißig Diebstähle kamen nicht zur Ausführung. Mehrere akut drohende Messerstechereien fand im letzten Moment nicht statt. Siebzehn Jugendliche pinselten, anders als beabsichtigt, keine Hassparolen an die Hauswand. Nicht gelesen? Nichts von gehört? Kein Wunder. Es ist ja auch nichts passiert. Der verhinderte Unfall findet nicht statt. Und was nicht stattfindet, darüber kann man nichts sagen. Oder?

Tausende von Menschen um uns herum sorgen täglich dafür, dass das Leben gelingt. Dass das Leitungswasser nicht versiegt. Dass die Ampeln nicht plötzlich ausfallen. Dass die Busse nicht zu spät Winterreifen bekommen. Kurz: dass „nichts“ passiert. Und häufig geht das über die beruflichen Pflichten hinaus. Es gibt unzählige Menschen, die „einfach so“ – oft ehrenamtlich – dafür sorgen, dass „nichts“ passiert. Dass Obdachlose nicht hungrig bleiben und Angriffen nicht schutzlos ausgeliefert sind. Dass Kirchen tagsüber nicht geschlossen bleiben müssen und Besucher nicht auf die großartige Wirkung der Räume verzichten müssen. Dass Menschen mit seelischen Wunden nicht verzweifeln müssen und ihr Leben aufs Spiel setzen.

„Nichts passiert!“ Wie gut! Ohne diese Menschen, von denen wir kaum je etwas sehen oder lesen, gäbe es mehr Schlimmes zu berichten und zu hören. Ehrenamtliche handeln aus vielerlei Motivation heraus. Menschenliebe. Humanität. Viele handeln darüber hinaus bewusst als Christen. Jesus hat ja gesagt: „Wie ihr wollt, dass euch die Leute tun sollen, so tut ihnen auch!“

Zum Karneval

Lebensfreude

 

Ein Christ darf sich des Lebens freuen

und muss der Narren Fest nicht scheuen.

Denn Freude ist sein Lebensziel

und Grund zur Freude hat er viel:

Weiß sich bei Gott allzeit geborgen

trotz manchen Kummers, mancher Sorgen.

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Hitliste

Gedanken zum Sonntag

Wer ist der Größte? Der größte Deutsche aller Zeiten? Oder die Größte? Hitlisten sind in, nicht nur bei Musiktiteln, auch, um Menschen zu beurteilen. Wichtige Leute werden genannt: Dichter, Erfinder, Prominente mit großen Verdiensten. In den Listen fehlen aber auch viele Namen! Es fehlt die Mutter, die ihr behindertes Kind von Geburt an bis zum bitteren Tod nach sieben Jahren gepflegt hat. Es fehlt der Arzt, der seine Karriere aufgegeben hat und seit drei Jahren in Afrika arbeitet.

Solche Menschen haben keine Namen, jedenfalls nicht in der Öffentlichkeit. Für mich gehören sie zu den ganz Großen! Ich führe sie in meiner persönlichen Hitliste. Und da gehört eigentlich noch jemand hinein: Sie, die Sie das hier lesen. Vielleicht haben Sie etwas ganz Großes geleistet – im Verborgenen: einen Menschen begleitet; einen Schicksalsschlag durchgestanden; eine Depression ertragen, eine Sucht besiegt; im Stillen gespendet.

Sie haben das nicht getan oder geschafft, um „groß raus zu kommen“. Ihr Name soll in keiner veröffentlichten Hitliste stehen. Vielleicht weiß nicht einmal die Nachbarschaft von Ihnen. Umso schöner zu hören, dass einer Sie längst bemerkt hat: Gott kennt Sie! Er bewertet das mit den Hitlisten ohnehin ziemlich anders. Er sieht das Herz an. Wir Menschen sehen oft nur, was vor aller Augen ist.

Sich der Vergangenheit stellen

Zum Holocaust-Gedenktag am 27. Januar

Welche Rolle spielte die evangelische Kirche in Goslar während der Nazi-Zeit? Dieses Buch aus dem Jahre 2009 gibt die spannende Antwort:

Geleitwort des Herausgebers:

Hüte dich nur und bewahre deine Seele gut, dass du nicht vergisst, was deine Augen gesehen haben, und dass es nicht aus deinem Herzen kommt dein ganzes Leben lang. Und du sollst davon erzählen deinen Kindern und Kindeskindern. 5. Mose 4,9

Eine Untersuchung der Rolle der Goslarer Kirchen in der Zeit des Nationalsozialismus fehlte bisher. Es gibt keine ausgeprägte und dokumentierte Erinnerungskultur, was das Tun und Lassen der Gemeinden und der Pfarrerschaft damals betrifft. In Gesprächen ist zu erkennen: dieser Mangel führt gemeinhin zu der Annahme, es sei in Goslar wohl so gewesen, wie fast überall, die Kirche habe eben „mitgemacht“. Solche Verallgemeinerungen werden dem differenzierten Geschehen in keiner Weise gerecht. Es ist daher an der Zeit, der Öffentlichkeit Material und Einschätzungen vorzulegen, aus denen die spezifische Goslarer Situation hervorgeht. Damit wird Versäumtes nachgeholt, was bereits 1968 der damalige Braunschweigische Landesbischof Dr. Gerhard Heintze in der Festschrift zum 400. Jubiläum der Landeskirche ganz allgemein und umfassend angemahnt hatte und was jetzt von seinem heutigen (2009 geschrieben) Nachfolger Prof. Dr. Friedrich Weber aufgegriffen worden ist: die Kirchen müssen sich noch genauer mit ihrer Vergangenheit in der NS-Zeit beschäftigen. Was Goslar angeht, macht die vorliegende Schrift damit einen Anfang. Uns ist dabei sehr wohl bewusst, dass noch vieles zu entdecken und manches vielleicht anders einzuordnen und zu bewerten ist. „Sich der Vergangenheit stellen“ weiterlesen

„Vom Saulus zum Paulus“ – eine skandalöse Redensart

Am 25. Januar ist „Tag der Bekehrung des Apostels Paulus“ – Eine Predigt über Apostelgeschichte 9, 1-19a

Es ist sprichwörtlich geworden: das „Damaskus-Erlebnis“. Sie kennen das. Wenn es einen so richtig rumgerissen hat: ein Damaskuserlebnis. Wenn man urplötzlich erkennt, dass man völlig schief gelegen hat: ein Damaskuserlebnis.

Wenn man erkennt: ich war sehenden Auges blind! Ich war – beratungsresistent! Ich hatte mich verrannt! „Damaskus-Erlebnis“, ein falscher Weg geht abrupt zu Ende, ein neuer tut sich auf – und das nicht aus eigener Einsicht, sondern von außen her, geschenkt, unerwartet. Der Begriff gehört zur Allgemeinbildung. Und man glaubt zu wissen, was damit gemeint ist.

„„Vom Saulus zum Paulus“ – eine skandalöse Redensart“ weiterlesen

Generalverdacht

Klar, es ist Vorschrift, ich weiß! Trotzdem: ich fürchte ihn jedes Mal, diesen Augenblick! Ich fahre mit meinem Einkaufswagen auf die Kasse zu, warte auf die Abfertigung der Kundin vor mir – und dann passiert es! Erst das „Guten Tag!“ –  Vorschrift schon das. Und dann: dieser Blick nach oben! Kein Stoßgebet, nein: dort oben hängt ein Spiegel, und der ermöglicht einen Blick in meinen Wagen. Variante: die Verkäuferin erhebt sich ein paar Zentimeter aus ihrem Sitz und lässt kritisch ihren Blick in den rollbaren Drahtkäfig fallen: alles aufs Transportband gelegt!? Mich sieht sie nicht – und auch nicht, wie ich leicht erröte.

Wer einkauft, steht heute unter Generalverdacht. „Heben Sie bitte mal die Kiste an!“ Klar, es könnte ja eine flache Packung mit Wurstscheiben drunter „Generalverdacht“ weiterlesen

Nachlese zum Weihnachtsfest

Gedanken zum Weihnachtsfest im LIONS Club Goslar-Rammelsberg, Klauskapelle, Freitag, 22. Dezember 2017

Die Weihnachtsgeschichte haben wir gehört. Jetzt soll ich ein paar geistliche Gedanken dazu sagen, will der Präsident. Möglichst rührig und so… Kann ich aber nicht! Ihr seid alles Leute, die alles schon mal gehört haben, selber denken können, ne feste Meinung haben … Was kann man da noch erzählen?! Ich versuche es einmal mit einem Satz aus der Bibel, der weniger bekannt ist – aber doch sagt, was Weihnachten bedeutet. Der Satz heißt:

„Christus ist die Schatzkammer, die alle Schätze der Weisheit und Einsicht birgt!“

Ist eigentlich ein ziemlich übermütiger Satz! Wer spricht denn da? Eine kleine religiöse Splittergruppe im römischen Reich. Unbedeutend, ohne gesellschaftlichen Rang, Christen eben. „Nachlese zum Weihnachtsfest“ weiterlesen

Verantwortung für die Nachfolgenden

Der Bergmann, so lernt man in Goslar, ging mit dem „Schärpermesser“ in den Schacht. Damit schnitt er sein Brot und seine Wurst – wenn er welche hatte. Heute haben wir sie reichlich. Und hin und wieder wird in der Stadt zum „Schärpermahl“ eingeladen: zu einer deftigen Mahlzeit mit viel Wurst und viel Bier. Es geht uns gut.

Das Schärpermesser war eigentlich nicht für die Frühstückspause da. Das war nur ein Nebeneffekt. Das Messer diente als Werkzeug. Durch die starke „Verantwortung für die Nachfolgenden“ weiterlesen

Vollgas!?

Mit Vollgas durch die Wüste! Heute fällt in Perus Hauptstadt Lima der Startschuss zur 40. Rallye Dakar. Die Marathon-Rallye findet bereits zum zehnten Mal nacheinander in Südamerika statt. Ein Spektakel der besonderen Art! Die Fahrzeuge pflügen mit irrwitziger Geschwindigkeit durch die Gegend, Bodenwellen zwingen die Fahrer zu gewagten Sprüngen, Wasserpfützen bremsen die Wagen brutal ab. Das wollen die Zuschauer sehen! Fernsehteams aus aller Welt übertragen die atemberaubenden Fahrten.

Empörend ist das, schimpfen manche. Da wird eine wunderschöne Landschaft in Südamerika durchwühlt, Menschen am Straßenrand werden gefährdet, arme Länder durch reiche Motorsportler missbraucht und verhöhnt. Nachvollziehbar ist er, dieser Unmut. Aber er ist nur die eine Seite der Sache. Diese aberwitzigen Rennfahrten bringen etwas zum Vorschein, das sonst verborgen bleibt. Sie sind ein Spiegel für unsere Gesellschaft.

Gas geben heißt die Parole. Wer nicht loslegt, der wird abgehängt. Wer nichts riskiert, bleibt auf der Strecke. Wer alle Regeln einhält, hat bald das Nachsehen. Diese Erfahrung machen immer mehr Menschen. Wie beim Autorennen gibt es Gewinner und Verlierer – und niemand zieht einen aus der „Sanddüne“, der nicht dafür bezahlen kann. Die Gerechtigkeit kommt „unter die Räder“.