Christentum und Bildung

Reformatorisches Christentum und Bildung sind untrennbar mitein­ander verbunden. Die Reformation war – auch – eine Bildungs-Revolution. Luther hat die Bibel ins Deutsche übersetzt, damit alle nachlesen können; er hat sich mit Nachdruck für Schulen eingesetzt, besonders auch dafür, dass Mädchen Zugang zu Bildung bekommen! „Bildung“! Schon im Begriff selber schwingt mit, dass es um etwas zutiefst Religiöses geht, zumindest beim christlichen Bildungsbegriff: „Bildung“ und „Gott-Ebenbildlichkeit“ haben miteinander zu tun. Schon Mystiker haben das so verstanden, umso mehr die Reformation. Bildung führt den Menschen zum Bewusstsein seiner Würde als Gottes Geschöpf. Jeder Mensch ist nach dem Bilde Gottes „gebildet“.

Gebildet sein heißt daher zu allererst: sich seiner Würde bewusst sein. Luther spricht in diesem Zusammenhang von der „Freiheit eines Christenmenschen“: der Mensch als Person verdankt sich der Beziehung zu Gott. Niemand ist menschlichen Bedingungen unterworfen, die sein Dasein rechtfertigen könnten oder müssten. Der Mensch kann handeln, frei nach seinem Gewissen – unabhängig von allen weltlichen Bemächtigungsversuchen.

Diese Sicht birgt ein erhebliches kritisches Potential! Gerade in der heutigen Zeit ist es nötig, dieses Potential zu aktivieren und an die christlichen Wurzeln der Bildung zu erinnern. Denn ein anderer Begriff von Bildung und Wissenschaft hat sich breit gemacht. Nach dem Motto: Wissenschaft und Lehre sind frei, offen, von keiner Autorität eingeengt. Religion dagegen wird gern dargestellt als ein System befremdlicher und unhinterfragbarer Dogmen, die eine freie Entfaltung des Menschen zu verhindern suchen. Das Gegenteil ist wahr! Wissenschaftliche und bildungsbezogene Prioritäten werden heute entscheidend von wirtschaftlichen Interessen bestimmt. In Medizin, Natur- und Ingenieurwissenschaften wird gefördert, was absehbar wirtschaftlich rentabel ist. Kriterien wie Wahrheit und Ehrlichkeit, ja auch Menschlichkeit bleiben dagegen oft auf der Strecke. Forschungs- und Bildungsfreiheit sind weitgehend dahin. Das beklagen auch die Forschenden und Lehrenden selber.

Der Mensch ist „Bild Gottes“! Das macht seine Würde aus! Dies als höchstes Kriterium zu werten, ist ein notwendiger Einspruch gegen heutige Tendenzen! Die Würde des einzelnen Menschen, die Unver­äußerlichkeit seiner Freiheit, die Gott-Ebenbildlichkeit: Daran hält christlicher Glaube fest. Er kann damit auch Wissenschaftlern und Lehrenden ein Halt sein, kann ihnen Mut geben, gegen scheinbar allmächtige Trends anzusteuern.

Aus einer Ansprache zum 50. Frankenberger Winterabend, Goslar, 15. Januar 2003

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