Sich der Vergangenheit stellen

Zum Holocaust-Gedenktag am 27. Januar

Welche Rolle spielte die evangelische Kirche in Goslar während der Nazi-Zeit? Dieses Buch aus dem Jahre 2009 gibt die spannende Antwort:

Geleitwort des Herausgebers:

Hüte dich nur und bewahre deine Seele gut, dass du nicht vergisst, was deine Augen gesehen haben, und dass es nicht aus deinem Herzen kommt dein ganzes Leben lang. Und du sollst davon erzählen deinen Kindern und Kindeskindern. 5. Mose 4,9

Eine Untersuchung der Rolle der Goslarer Kirchen in der Zeit des Nationalsozialismus fehlte bisher. Es gibt keine ausgeprägte und dokumentierte Erinnerungskultur, was das Tun und Lassen der Gemeinden und der Pfarrerschaft damals betrifft. In Gesprächen ist zu erkennen: dieser Mangel führt gemeinhin zu der Annahme, es sei in Goslar wohl so gewesen, wie fast überall, die Kirche habe eben „mitgemacht“. Solche Verallgemeinerungen werden dem differenzierten Geschehen in keiner Weise gerecht. Es ist daher an der Zeit, der Öffentlichkeit Material und Einschätzungen vorzulegen, aus denen die spezifische Goslarer Situation hervorgeht. Damit wird Versäumtes nachgeholt, was bereits 1968 der damalige Braunschweigische Landesbischof Dr. Gerhard Heintze in der Festschrift zum 400. Jubiläum der Landeskirche ganz allgemein und umfassend angemahnt hatte und was jetzt von seinem heutigen (2009 geschrieben) Nachfolger Prof. Dr. Friedrich Weber aufgegriffen worden ist: die Kirchen müssen sich noch genauer mit ihrer Vergangenheit in der NS-Zeit beschäftigen. Was Goslar angeht, macht die vorliegende Schrift damit einen Anfang. Uns ist dabei sehr wohl bewusst, dass noch vieles zu entdecken und manches vielleicht anders einzuordnen und zu bewerten ist. „Sich der Vergangenheit stellen“ weiterlesen

„Vom Saulus zum Paulus“ – eine skandalöse Redensart

Am 25. Januar ist „Tag der Bekehrung des Apostels Paulus“ – Eine Predigt über Apostelgeschichte 9, 1-19a

Es ist sprichwörtlich geworden: das „Damaskus-Erlebnis“. Sie kennen das. Wenn es einen so richtig rumgerissen hat: ein Damaskuserlebnis. Wenn man urplötzlich erkennt, dass man völlig schief gelegen hat: ein Damaskuserlebnis.

Wenn man erkennt: ich war sehenden Auges blind! Ich war – beratungsresistent! Ich hatte mich verrannt! „Damaskus-Erlebnis“, ein falscher Weg geht abrupt zu Ende, ein neuer tut sich auf – und das nicht aus eigener Einsicht, sondern von außen her, geschenkt, unerwartet. Der Begriff gehört zur Allgemeinbildung. Und man glaubt zu wissen, was damit gemeint ist.

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Generalverdacht

Klar, es ist Vorschrift, ich weiß! Trotzdem: ich fürchte ihn jedes Mal, diesen Augenblick! Ich fahre mit meinem Einkaufswagen auf die Kasse zu, warte auf die Abfertigung der Kundin vor mir – und dann passiert es! Erst das „Guten Tag!“ –  Vorschrift schon das. Und dann: dieser Blick nach oben! Kein Stoßgebet, nein: dort oben hängt ein Spiegel, und der ermöglicht einen Blick in meinen Wagen. Variante: die Verkäuferin erhebt sich ein paar Zentimeter aus ihrem Sitz und lässt kritisch ihren Blick in den rollbaren Drahtkäfig fallen: alles aufs Transportband gelegt!? Mich sieht sie nicht – und auch nicht, wie ich leicht erröte.

Wer einkauft, steht heute unter Generalverdacht. „Heben Sie bitte mal die Kiste an!“ Klar, es könnte ja eine flache Packung mit Wurstscheiben drunter „Generalverdacht“ weiterlesen

Nachlese zum Weihnachtsfest

Gedanken zum Weihnachtsfest im LIONS Club Goslar-Rammelsberg, Klauskapelle, Freitag, 22. Dezember 2017

Die Weihnachtsgeschichte haben wir gehört. Jetzt soll ich ein paar geistliche Gedanken dazu sagen, will der Präsident. Möglichst rührig und so… Kann ich aber nicht! Ihr seid alles Leute, die alles schon mal gehört haben, selber denken können, ne feste Meinung haben … Was kann man da noch erzählen?! Ich versuche es einmal mit einem Satz aus der Bibel, der weniger bekannt ist – aber doch sagt, was Weihnachten bedeutet. Der Satz heißt:

„Christus ist die Schatzkammer, die alle Schätze der Weisheit und Einsicht birgt!“

Ist eigentlich ein ziemlich übermütiger Satz! Wer spricht denn da? Eine kleine religiöse Splittergruppe im römischen Reich. Unbedeutend, ohne gesellschaftlichen Rang, Christen eben. „Nachlese zum Weihnachtsfest“ weiterlesen

Verantwortung für die Nachfolgenden

Der Bergmann, so lernt man in Goslar, ging mit dem „Schärpermesser“ in den Schacht. Damit schnitt er sein Brot und seine Wurst – wenn er welche hatte. Heute haben wir sie reichlich. Und hin und wieder wird in der Stadt zum „Schärpermahl“ eingeladen: zu einer deftigen Mahlzeit mit viel Wurst und viel Bier. Es geht uns gut.

Das Schärpermesser war eigentlich nicht für die Frühstückspause da. Das war nur ein Nebeneffekt. Das Messer diente als Werkzeug. Durch die starke „Verantwortung für die Nachfolgenden“ weiterlesen

Welterbe

Foto: H.L.

Sie waren keine Sklaven, wie man oft denkt. Freiwillig haben sie Steine geschleppt und aufeinander geschichtet. Sie wussten warum: es ging um das Ewige Leben. So bekam Pharao Cheops sein eindrucksvolles Grabmal. Sie steht bis heute, die Große Pyramide von Gizeh: Welterbe! Nicht nur Steine sind dort zu bewundern, sondern auch eine grandiose Idee. Kräfte lassen sich dann bündeln, wenn alle wissen, worum es geht. Die tägliche Mühsal braucht eine Vision. In Ägypten war es das Zutrauen, am jenseitigen Leben des Herrschers Anteil zu haben.

Und was ist es in Goslar? Wir stellen uns ja stolz in eine Reihe mit dem Weltwunder dort am Nil: „Wir Welterbestätten …“ Anteil am jenseitigen Leben des Herrschers haben: das lockt heute nicht mehr. Also: was ist hier zu bewundern außer den eindrucksvollen Bauwerken von Rammelsberg und Altstadt? Welche Idee ist hier stark?

Der Reichtum, der dem Berg abgetrotzt wurde, diente einer Vision: Alle gesellschaftlichen Kräfte sollten zur Schaffung einer friedlichen Welt beitragen. „Gerechtigkeit, Friede, Barmherzigkeit, Gottesliebe“ – so lautete der Grundsatz von Heinrich III, der hier im 11. Jahrhundert bauen ließ. Das ist so etwas wie eine europäische Verfassung, die in Goslar baulichen Ausdruck fand: das Gegenüber von Kaiserhaus und Stiftskirche, alle Kräfte gemeinsam für eine friedliche Welt.

Daraus ist nichts Dauerhaftes geworden. Schon bald ging die Idee in Streit und Krieg unter. Aber das Wissen ist geblieben: dass nur dann Friede herrscht, wenn alle auch an das Wohl der anderen denken. So ist es von Anbeginn von Gott gemeint – und nur so wird die Welt überleben. In Goslar wurde dieser Gedanke einst in Stein gebaut.

Überraschung

Die größte Überraschung im „Lutherjahr“ 2017 war für mich die Briefmarke des Vatikan: Ein Ausschnitt aus der Thesentür der Schlosskirche zu Wittenberg! Neben dem gekreuzigten Christus stehen Luther und Melanchthon! Wer hätte das gedacht…

Geschenkgutschein

Sie haben da noch einen Geschenkgutschein! Den können Sie jetzt einlösen; er gilt für das ganze Jahr. Was Sie bekommen? Das, was zu Weihnachten versprochen wurde! Dass nicht alles so bleiben muss, wie es bisher war. Dass niemand festgelegt ist auf das, was andere von ihm oder ihr denken. Dass viel mehr drinsteckt als gedacht. „Rollenwechsel“ heißt das Geschenk. Gott selber hat es vorgemacht. Er ist nicht länger der Ferne und Unsichtbare. Er ist Mensch geworden und geblieben – und er traut uns viel Gutes zu. Was das genau ist, kann man an Jesus ablesen: heilen statt verachten, vergeben statt beschuldigen, zu essen geben, statt zynisch zu behaupten, jeder sei seines Glückes Schmied.

Das Geschenk überhaupt: mal die Rolle wechseln dürfen. Sich in andere hineinversetzen. Mal was anders ausprobieren. Vorurteile hinter sich lassen, anderen gegenüber, Gott gegenüber, sich selbst gegenüber. Einlösen, so bald wie möglich! Geht täglich.

Wort zum Neuen Jahr

„Ruach“ von Gesa Liersch; Standort: Marktkirche Goslar

Das Kunstwerk in mir

„Es steckt alles schon drin!“ Das sagen HolzbildhauerInnen gern, wenn ihre Werke bewundert werden. „Im Stamm ist schon alles drin. Man muss nur das Überflüssige wegschnitzen!“ Das klingt einfach, ist es aber nicht. Wer nicht weiß, worauf es ankommt, wird alles Mögliche zustande bringen, nur kein „Kunstwerk“. Das gilt auch für unser Leben insgesamt. Man spricht ja von „Lebenskunst“. Und auch da kommt es darauf an, das Überflüssige wegzunehmen, um das Wesentliche hervortreten zu lassen. Genau daran erinnern uns das Weihnachtsfest und der Jahreswechsel! Gerade in dieser Zeit kann das gelingen: ein Gespür dafür zu entwickeln, was ich wirklich brauche. Und das Glück zu empfinden, Überflüssiges beiseite lassen zu können. Viele haben das vor einigen Tagen erlebt bei dem Lied „Stille Nacht, heilige Nacht!“ Alles, was das Leben gerade noch schwer gemacht hatte, schien verschwunden zu sein, mindestens für einen Moment. „Christ, der Retter ist da“, das war in diesem Augenblick keine antiquierte Floskel. Es ist die – tief im Herzen – ersehnte Zusage an mich ganz persönlich. Es ist die „rettende Stund´“. Da dürfen wir uns so spüren, wie wir gedacht sind: als mit einer empfindsamen Seele ausgestattete Wesen. „Ebenbilder Gottes“ nennt das die Bibel. Kunstwerke eben, auch dann schon, wenn noch viel Überflüssiges das verdeckt.