Eine kurze Geschichte der Goslarer Reformation

Ein Beitrag zum Reformationstag

Goslar zählt zu den traditionsreichsten Städten Norddeutschlands. Die monumentale Kaiserpfalz zeugt von der historischen Bedeutung. Goslar war Mitglied der Hanse und erhielt 1290 den Status einer „Freien Reichsstadt“. Die mittelalterliche Altstadt ist bis heute weitgehend erhalten. Sie zählt mit dem Bergwerk Rammelsberg und der Oberharzer Wasserwirtschaft zum UNESCO-Weltkulturerbe.

In den 20er-Jahren des 16. Jahrhunderts war die Stadt eine der ersten, in denen die Reformation Fuß fasste. Frühe reformatorische Bestrebungen gab es an der St. Jakobi-Kirche. Ab 1521 hielten dort die Kapläne Klepp und Smedeken die ersten Predigten im Sinne Luthers – gegen den Willen des zuständigen Pfarrers, aber mit Unterstützung der Gemeinde.

Wohlwollen fanden die Gedanken Luthers auch bei den weniger einflussreichen Gilden Goslars. Sie begrüßten die Überzeugung, dass jeder Getaufte ein Mitspracherecht in der Gemeinde haben soll. Mit dieser Einstellung setzten sie den Rat unter Druck.

Doch der sah in der reformatorischen Bewegung in erster Linie eine Bedrohung für die Sicherheit der Stadt. Schließlich war sie als Reichsstadt auf den Schutz des Kaisers angewiesen. So glaubte man, den alten Glauben nicht antasten zu dürfen. Doch diese Haltung änderte sich unter dem Druck der Ereignisse. Dass man sich der evangelischen Sache anschloss, hatte vor allem politische Gründe.

Dank des Bergbaus hatte Goslar viele Jahre in Wohlstand gelebt. Das Bergwerk Rammelsberg hatte die Stadt reich gemacht. Doch das änderte sich, als Herzog Heinrich der Jüngere von Braunschweig-Wolfenbüttel 1525 alte Bergbaurechte einlöste. Der Herzog war entschiedener Gegner der Reformation. Er nahm der Stadt die wesentliche Einnahmequelle. Der Bevölkerung ging es zunehmend schlechter. Es kam zu sozialen Spannungen. Vor allem Bergleute waren aufgebracht.

1527 zerstörten Goslarer Bürger die Klöster rings um die Stadt. Zeugnis dieses Ereignisses sind die noch sichtbaren Grundmauern, etwa der Kirche „Johannes im Bergedorf“. Unter dem Druck der Bevölkerung bat der Rat schließlich die Stadt Magdeburg um Unterstützung. Es war ein Reformator von außerhalb erforderlich, weil keiner der Hunderte von Klerikern in Goslar einen Abschluss in Theologie hatte.

Der aus Magdeburg gesandte Nikolaus von Amsdorf, ein Freund Martin Luthers, hielt 1528 die erste offizielle lutherische Predigt in der Marktkirche. Der Rat war nur halbherzig dabei. Er erhoffte sich vor allem, dass die Unruhen abebben. Mit diesem Schritt war die Reformation in der Kaiserstadt aber noch keineswegs durchgeführt. Der Rat schwankte weiter und das „Dom-Stift“ und zwei Klöster in der Stadt blieben der alten Lehre treu.

Eine klare Entscheidung gab es erst 1531. Da war der Druck auf Goslar durch den Wolfenbütteler Herzog so groß geworden, dass man Hilfe bei anderen Fürsten suchte. So wurde Goslar Mitglied im Schmalkaldischen Bund. Der erneut angereiste Amsdorf führte die evangelische Kirchenordnung ein.

Damit fiel Goslar endgültig beim Kaiser in Ungnade. Die Reichsacht wurde verhängt. Die Schmalkaldener Bundesgenossen kamen Goslar zur Hilfe. Im Braunschweiger Krieg von 1542 vertrieben sie den Wolfenbütteler Herzog. Aber fünf Jahre später folgte die Rache. Kaiser Karl V. besiegte in der Schlacht von Mühlberg die Schmalkaldener. Für Goslar eine Katastrophe. Jetzt war man schutzlos gegenüber dem Herzog.

Der belagerte schließlich 1552 mit 17000 Mann die Stadt und zwang sie, den Riechenberger Vertrag zu unterschreiben. Eine Art Kapitulation. Dennoch blieb die Stadt evangelisch. Die Reformation hatte sich durchgesetzt, wenn auch auf schlingerndem Kurs.

Herausragendes Zeugnis dieser ereignisreichen Epoche ist die Marktkirchen-Bibliothek. Das Gebäude wurde 1535 als Anbau an die Marktkirche errichtet. Den Kern des Bestands bildet die Bibliothek des Klerikers Andreas Gronewalt, der in Halberstadt mit den Ideen der Reformation sympathisiert hatte. Ein offenes Bekenntnis zu Luthers Sache war dort aber lebensgefährlich. Gronewalt brachte große Teile seiner Büchersammlung nach Goslar in Sicherheit. Hier wirkte sein Freund aus Halberstädter Zeiten: Eberhard Weidensee. Der war dritter evangelischer Superintendent Goslars und empfing mit großer Freude die wertvollen Bücher.

Die Marktkirchen-Bibliothek beherbergt seither spätmittelalterliche und reformationszeitliche Schriften von Weltgeltung. Darunter befindet sich mit dem  Erfurter Enchiridion das älteste Gesangbuch überhaupt, im Jahr 1524 gedruckt. Es ist weltweit einmalig. Das sogenannte September-Testament aus dem Jahr 1522 ist Luthers Übersetzung des Neuen Testaments, die er auf der Wartburg anfertigte. Eines der wenigen erhaltenen Exemplare gehörte einst Andreas Gronewalt. Auch ein Originalbrief, den Martin Luther 1529 während der großen Unruhen nach Goslar schrieb, wird hier aufbewahrt.

Eine besondere Rarität sind die Buchschließen, auf denen die evangelischen Pfarrer 1535 ihre Namen verewigen ließen. Sie hatten nach Ankunft der Bibliothek jeweils einen Folianten hinzugestiftet.

H.L.

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