1518: Jetzt geht´s erst richtig los!

In Goslar herrscht die Ruhe vor dem Sturm

Schon wieder das Thema Reformation? Schon wieder Martin Luther? Das hatten wir doch im vergangenen Jahr bis zum Abwinken! Kann man so sehen… Was aber nicht zu leugnen ist: Die kommenden Jahre bringen ein wichtiges 500. Jubiläum nach dem anderen – und zunehmend hat das mit Goslar zu tun. Reformation ist kein punktuelles Ereignis, sondern ein fortlaufender Prozess. Schon gut zehn Jahre nach Luthers Thesen setzt sich die Reformation in der Kaiserstadt weitgehend durch: 1528.

Zwei der frühesten Flugschriften überhaupt sind derzeit in der Marktkirche Goslar ausgestellt. 1518 lieferten sich Luther und Tetzel eine öffentliche Auseinandersetzung.

Ausgangspunkt war bekanntlich der 31. Oktober 1517 in Wittenberg. Martin Luther, der Professor in der Mönchskutte, hatte kurze Sätze in lateinischer Sprache verfasst und damit die Gelehrten zur Diskussion aufgefordert. Es ging um ein theologisches Spezialthema: Welche Wirkung haben die sogenannten „Ablässe“? Unter den Gläubigen jener Zeit war der Eindruck erweckt worden, damit würden die Sünden erlassen. Das war – auch gemäß der offiziellen Auffassung – keineswegs der Fall. Lediglich die von einem Beichtvater auferlegten Strafen konnten damit vermieden werden.

Die Gelehrten und die geistliche Obrigkeit ließen sich durch Luthers Vorstoß nicht zur Debatte locken. Statt dessen wurde er zu seiner Verwunderung in Rom angeschwärzt. Anfang 1518 erläutert er daher seine Thesen – wieder in Latein. Aber zum publizistischen Bestseller wird erst sein in deutscher Sprache verfasster „Sermon von Ablass und Gnade“. Das schmale Pamphlet ist gleichzeitig die erste Flugschrift überhaupt. Schon bald folgt eine Antwort des Ablasskommissars Johann Tetzel: „Vorlegung“. Luther lässt mit einer Antwort nicht lange auf sich warten und wirft seine grob formulierte Antwort auf den Markt: „Ein Freiheyt des Sermons Bebstlichen ablaß belangend“. Der „Flugschriftenkrieg“ hatte begonnen und prägte für Jahrzehnte das religiöse und gesellschaftliche Klima im Reich und in ganz Europa.

Und Goslar? Die beiden letztgenannten Schriften von Tetzel und Luther befinden sich seit 1535 im Besitz der Marktkirchen-Bibliothek. Zur Zeit sind sie in einer Vitrine in der Marktkirche ausgestellt. Ob die Debatte sofort Goslar erreichte, muss offen bleiben. Allerdings gibt es Spuren. Als der Rat der Stadt sich 1530 auf dem Reichstag zu Augsburg gegen den Vorwurf des Aufruhrs verteidigen musste, fielen interessante Sätze: Die „Neuerung“ – gemeint ist die Reformation – habe „schon 1518 angehoben“. Schuld sei Herzog Heinrich der Jüngere. Er habe die Bevölkerung der Nahrung und der Arbeit beraubt.

Tatsächlich passierte Letzteres etwas später. Aber vor genau 500 Jahren zeichnete sich bereits ab, dass der Wolfenbütteler Herzog gegen Hildesheim in die Stiftsfehde ziehen würde. Goslar verweigerte seine Hilfe – und bezahlte teuer dafür. Wenige Jahre später war der Herrscher im Besitz von Riechenberg, Georgenberg, Petersberg und Frankenberg und legte das Bergwerk lahm.

Mit Reformation im engeren Sinne hatte die Lage 1518 noch nichts zu tun. Goslar lebte „gut kaiserlich“ im alten Modus. Der Dom glänzte mit neuem Chorgestühl, der gewaltige Zwinger war gerade fertig geworden, in der Schreiberstraße weihte Bürgermeister Carsten Balder sein Haus ein. Das war am 27. Oktober vor genau 500 Jahren, also am Vorabend des Tages der Domheiligen Simon und Judas. Ein Sinnspruch – der erste überhaupt! – wird kunstvoll über die Fenster im Erdgeschoss gemeißelt: Quid quid agas prudent agas et respice finem – Was immer du tust, tue es klug und siehe auf das Ende! Klugheit wird Balder gebraucht haben, als die Ereignisse konkret über Goslar hereinbrachen.

Ahnungslos war man in Goslar allerdings nicht! Mehrere Goslarer hielten sich 1518 in Wittenberg zum Studium auf und dürften Luther dort begegnet sein. In ihrer Heimatstadt Goslar haben sie gewiss über den Ablassstreit an ihrem Studienort berichtet. Namentlich bekannt sind Johann Schulte, Laurentius Hyll und Johann Detzenkamp. Der erstgenannte war Prior im Kloster Georgenberg und betont in einem späteren Brief, dass er das wahre Evangelium bereits in Goslar gepredigt habe, „alse dat noch nye und velen unbekannt was“. Als Pfarrer von St.Jakobi gehörte er ab 1528 zu den ersten evangelischen Pfarrern in Goslar.

(Beitrag in der GoslarschenZeitung am 30. Oktober 2018)

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