Dem Geheimnis des Lebens näherkommen

Neuwerk Goslar

Predigt am Heiligen Abend 2018

Eine Schatzkammer, liebe Gemeinde! Kennen wir alle. Es blinkt und funkelt. Kostbarkeiten, wohin man schaut. Wunderbar! „Christus ist die Schatzkammer, heißt es in der Bibel. „Er birgt alle Schätze der Weisheit und Einsicht in sich!“ Welch ein übermütiger Satz!

Eine kleine religiöse Splittergruppe im römischen Reich. Unbedeutend, ohne gesellschaftlichen Rang, Christen eben. Und die sagen: „Christus ist die Schatzkammer!“ So steht das im Kolosserbrief. Welch ein Kontrast zur Wirklichkeit! Welch eine Selbstüberschätzung!

Ein Wunschbild, das so nie wahr geworden ist! Eine Behauptung, die nie bewiesen werden konnte: „…alle Schätze der Weisheit und Einsicht!“… Ein Glaubenssatz – und ein problematischer dazu. Sagt da nicht ein Häuflein von Randsiedlern der Gesellschaft: „Wir sind wichtig, wir sind wichtig!“ – und keiner nimmt es ernst?!

Das war damals so – im 1., 2., 3. Jahrhundert… dann bekamen Christen gesellschaftliche Macht – … und von Weisheit und Einsicht war wenig zu sehen; mehr dagegen von Zwang, Gewalt, Doppelmoral… die Kritik ist bekannt.

…und heute: es scheint wieder zu werden wie am Anfang „Wir sind wichtig…behaupten wir nach wie vor…aber wer glaubt daran: „Christus ist die Schatzkammer, die alle Schätze der Weisheit und Einsicht birgt!“…?? Statt dessen eine Fülle von Verdrehungen, Missverständnissen, was der christliche Glaube sei…

…etwa: Nächstenliebe…oder: „10 Gebote“, …als ob wir Menschen nicht von uns aus wüssten, dass man niemanden erschlägt, nicht klaut und nicht lügt… Werte, die in allen Religionen gelten. Verflachung, Banalisierung…

…mit dem Höhepunkt Weihnachten: Ein wunderbares Fest – eigentlich! Natürlich, es ist das „Fest der Liebe“, das „Fest der Familie“… alles schön und gut/aber: Aber: Was wird daraus nicht alles gemacht! Eine „Botschaft“, die hemmungslos ausgebeutet wird – kommerziell, emotional, familiär, pädagogisch… Weihnachten als Ware; dabei: diese Ware Weihnacht ist nicht das wahre Weihnachten!

Weihnachten ist nicht nur lieb und soft und gefühlig – noch nicht einmal in erster Linie… – es ist eine Kampfansage an alle Pseudophilosophien und Trugideen (Kol 28), mit denen Menschen der Kopf verdreht wird (ebd.)!

Eine Kampfansage! Christus ist die Schatzkammer, nicht die Tresore der Welt, nicht die vollen Warenhäuser, nicht die Ölreserven, nicht die Aktienkurse…

Weisheit und Erkenntnis sind woanders zu finden – und rangieren höher. Sie sind ein kritisches Gegenüber für alles, was sich als wichtig und vorrangig aufführt. Christus als Krise des modernen Denkens, der Wachstumsideologie, der politischen Heilversprechen…

…und Weihnachten fängt das an. Welch ein Fest! Welch ein Gegenprogramm! Was wäre bloß, wenn diese Botschaft durchdränge: nämlich: Weihnachten: Das Große macht sich klein und niedrig, um auf Augenhöhe zu kommen mit dem Kleinen…Der Machthaber setzt sich der Gefahr aus, sehenden Auges…die einseitige Friedenserklärung …ohne Vorleistung des Schwächeren…

Das ist Gottes Weg! Schon bei der Geburt ist zu sehen, dass damit kein irdischer Sieg zu erringen ist! Schon bei der Geburt Jesu wird deutlich: Dieses Kind wird als Erwachsener Opfer werden – Das Holz der Krippe ist das Holz des Kreuzes, ein und derselbe Baum… und dennoch wird er die Welt verändern.

Wenn das in unserer Welt gälte…nur mal so nachgedacht…Revolution! Gottes Wille! Jetzt! „Die Zeit zu lieben ist jetzt!“ (Johannes vom Kreuz), die Zeit dankbar zu sein ist jetzt! Die Zeit, Gott an die erste Stelle zu setzen ist jetzt!

Und nur mal so gefragt: Wer möchte ich eigentlich geworden sein, wenn ich gewesen bin? (O. Fuchs) Alle Tricks angewandt haben, anderen den „Schwarzen Peter“ zugeschoben haben… Glück, Wohlstand, Gesundheit nachgejagt zu sein – im Glauben, das seien Zeichen einer gelungenen Gottesbeziehung?

Ist es nicht das, was wir ersehnen: Dass es anders wird. Diesen Glutkern der Hoffnung – es gibt ihn doch bei Dir und bei mir. Die Hoffnung, dass Er Recht behält und für Gerechtigkeit sorgt. Das fehlt, das erhoffen wir.

Das Weihnachtsfest ist nicht dazu da, damit wir uns Geschenke machen, damit es 1x im Jahr so richtig friedlich und gemütlich wird, damit, damit…

Wir tun erstmal gar nichts zu Weihnachten! Gott tut etwas, und zwar etwas Unerwartetes. Er fordert nichts von uns, er gibt uns keine Regeln und Gebote auf den Weg, er will uns nicht höher, reicher, besser machen. Er wird Mensch. Was das bedeutet, hat Paulus in seinen Briefen interpretiert – und das, ohne von einer wunderbaren Geburt zu wissen. Er weiß nichts vom „Jesus-Kind“ – wohl aber von dem, der Knechtsgestalt annahm, obwohl er göttlicher Gestalt war (Phil. 26).

Diese Nähe ist es. Gott als einer von uns. Genau das ist das Geheimnis! Alle Weisheit, alle Einsicht liegt genau darin! Und das ist jetzt schon wahr. In dieser Heiligen Nacht spüren wir es… Jetzt ist die Zeit…

ER stellt sich auf eine Stufe mit uns! Und wieder: nicht um uns höher, reicher, besser zu machen, gesünder… Um all das geht es in erster Linie nicht. Er kommt, um bei uns zu sein. Er teilt unsere Schwachheit, unsere Sterblichkeit sogar… Darauf zu vertrauen, das allerdings kann besser machen – vielleicht sogar gesünder…

Und übrigens: Wer kann da noch Schwache verachten, Arme, Gescheiterte? Wer kann da noch Unterschiede machen zwischen Völkern und Rassen? Wer kann da noch behaupten, am Schicksal eines Menschen könne man seine Gottesbeziehung ablesen? Dann wäre Jesus der Gottloseste gewesen – er starb am Kreuz. Und so haben es ja die meisten auch gesehen: er hat die Quittung bekommen, damals, Karfreitag.

Falsch!, sagen wir Christen: die Regeln der Welt sind auf den Kopf gestellt – oder auf die Füße (der Kopf war ja „verdreht“, Kol.). Nicht das Starke, Erfolgreiche, Gesunde hat das letzte Wort – und ist etwa „besser“ als das Schwache, Arme, Sterbende… Nein, was von der Welt gering geachtet wird, ist bei Gott angesehen…

Ein Gegenprogramm. Zumindest in der Heiligen Nacht erlebbar… Wie ginge es weiter mit unserer Welt, wenn diese Botschaft durchdränge?!

Nach wie vor steht es, Gottes Angebot. „Alle Jahre wieder…“ Schier unendliche Wiederkehr der Geduld Gottes, seines Trostes, seines Verzeihens angesichts von Versagen, von Gier und Geiz. Wie lange wir mit seiner Geduld noch spielen dürfen – das weiß ich nicht.

Aber wichtiger: Das Angebot steht: Christus ist die Schatzkammer, die alle Schätze der Weisheit und Einsicht birgt.

Heilige Nacht: dem Geheimnis des Lebens näher kommen. Wie schön, dass die Tür wieder aufgeht – und das hängt offenbar nicht an Dir und nicht an mir, nicht an dem, was Du getan hast oder dem, was ich unterlassen habe. „Heut schließt er sie wieder auf, die Tür zum schönen Paradeis – und der Engel, der uns eigentlich draußen vor der Tür halten soll, ist weg, wir dürfen rein! „Der Cherub steht nicht mehr dafür – Gott sei Lob, Ehr und Preis!“

Amen.                                                          HL

Predigt in der Neuwerkkirche Goslar am 24. Dezember 2018, 18 Uhr

 

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