Schon und noch nicht

Zwischen Himmelfahrt und Pfingsten

Predigt zum Sonntag Exaudi,

Johannes 14, 15-19

„Schon“ und „noch nicht“, liebe Gemeinde, darum geht es heute. „Schon“ und „noch nicht“. Pfingsten ist schon gewesen, damals. Aber – es ist noch nicht Pfingsten – wir warten auf Pfingsten. Wir warten auf etwas, das wir „eigentlich“ schon haben. „Geist Gottes“; er ist mitten unter uns, in uns, so wird uns gesagt. Wir warten und hoffen… Schon – und noch nicht …

Das ist das Thema des heutigen Sonntags. „Exaudi“ heißt er, „höre“ – und das ist ein Gebetsruf: „Herr, höre meine Stimme, wenn ich rufe“ – aus Psalm 27, der diesem Sonntag den Namen gegeben hat. Obwohl wir gewiss sind, dass Gottes Geist uns nahe ist, bitten wir immer neu um ihn.

Zwischen Himmelfahrt und Pfingsten… das sind zum einen historische Daten: damals im Jahre 30 oder 33 in Jerusalem. Jesus war auferstanden, hatte sich in vielfacher Weise den Seinen gezeigt – 40 Tage lang – … und dann wurde er vor ihren Augen weggenommen. „Ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen“, hatte Jesus gesagt (Apg. 1,8). Und sie warteten … Ein historisches Datum: das Warten auf Pfingsten in Jerusalem damals …

Es ist aber auch ein symbolisches Datum: es sagt etwas über unsere Situation.

Es ist dieses Glauben und Zweifeln, dieses Sicher-Sein und Erschüttert-Werden. Da ist dieser Glaube an Gottes unendliche Möglichkeiten für uns – jedenfalls manchmal … – und dann ist da der kritische Blick auf unser eigenes Leben, auf die Sorgen und Nöte – und die bange Frage: ist es wirklich alles wahr? Wirkt Gottes Geist hier und heute, für mich, bei mir …?!

Das begleitet die Christenheit von Anfang an. Glaube und Zweifel. Als Jesus noch da war, schien alles klar. Aber jetzt, nach Himmelfahrt? Er war weg … – und was nun?! Schon und noch nicht: er war schon da gewesen, er war nicht mehr da – noch nicht wieder da. Das Johannes-Evangelium zeigt uns eindrücklich, was in der Gemeinde vor sich ging. Man fühlte sich wie Waisenkinder! Und wieder und wieder las man sich vor, was da als Abschiedsrede Jesu aufgeschrieben war:

Ich will den Vater bitten und er wird euch einen andern Tröster geben, dass er bei euch sei in Ewigkeit: den Geist der Wahrheit, … Ihr kennt ihn, denn er bleibt bei euch und wird in euch sein. Ich will euch nicht als Waisen zurücklassen; ich komme zu euch. Es ist noch eine kleine Zeit, dann wird mich die Welt nicht mehr sehen. Ihr aber sollt mich sehen, denn ich lebe und ihr sollt auch leben.

Diese Rede gibt es nur im Johannes-Evangelium. Das ist sowieso ganz anders als die drei ersten Evangelien: keine Gleichnisse, aber „Ich-bin-Worte“, … Vor allem aber: eine umfangreiche Abschiedsrede. Die Christen der zweiten und dritten Generation wollten wissen, wie das nun ist: kommt Jesus wieder, wann?! Damals konnte Christsein Ausschluss aus der Synagoge bedeuten, gesellschaftliche Ächtung, Verlust der bürgerlichen Existenz … Lebensgefährlich konnte es sein, sich als Christ zu erkennen zu geben. Und das war nicht nur in der Antike so. Auch heute gibt es das. Für die Betroffenen eine harte Glaubensprobe! Da ist einerseits die Verheißung: Gott ist der Herr des Universums – und andererseits sind sie der Verfolgung hilflos ausgeliefert.

Heiliger Geist wird kommen, ein anderer Tröster… Pfingsten ist angekündigt… und wir leben in der „Zeit dazwischen“, warten auf das Versprochene. Hoffnung und Zweifel dicht beieinander. Keine leichte Antwort – damals nicht – und für heute auch nicht. Denn wie gesagt: da geht es um mehr als um die zehn Tage zwischen Himmelfahrt und Pfingsten – damals. Da ist ein Lebens-Empfinden ausgesprochen: warten, dass sich die Verheißungen des Lebens erfüllen… – und es passt nicht immer zusammen mit dem, was wir sehen und erleben. Das Himmelreich stellen wir uns anders vor: dauerhaft, nicht als Erwartung, sondern als Erfüllung …

Warten – eine Aufgabe, die zur Last werden kann. Auf etwas vertrauen, das man nicht sieht… So wie Abraham: losziehen – und nicht wissen, wie das Gelobte Land aussieht… „Euer Herz erschrecke nicht“, hatte Jesus gesagt. Ihr braucht Geduld. Spötter nennen das „Vertröstung“ und meinen, das sei typisch für die Christen. In Wirklichkeit aber steht unser ganzes Leben in dieser Spannung: schon und noch nicht.

Vor allem wird es darauf ankommen, das „schon“ mehr zu betonen. Viel zu leicht übersehen wir Augenblicke gelungenen Lebens, lassen uns ablenken von dem, was nicht ist, was nicht gelingt, was noch nicht da ist …

Dabei gibt es gelingendes Leben, glückliche Begegnungen, erfüllte Zeit. Liebe! (das neue Gebot Jesu) Alles andere ist unwichtig! … Das zu erkennen, ist von großem Gewinn, ist Lebenskunst, ist Wirkung des Heiligen Geistes, auf den wir warten – und der doch schon jetzt in uns wirksam sein will.

Dazu gehört eine geistliche Haltung. Sie kommt in dem Gebet zum Ausdruck, mit dem ich schließen möchte:

Gott, ich bitte dich, mach meiner Ungeduld ein Ende. Führe mich und zeige mir deinen Willen.

Meine Gedanken lasse ich dir. Ich glaube nicht, dass ich so klug bin, das Leben zu verstehen. Lehre mich, deine Gedanken zu denken.

Meine Pläne lasse ich dir. Ich glaube nicht mehr, dass mein Leben seinen Sinn findet in dem, was ich erreiche von meinen Plänen. Ich vertraue auf den Weg, den du mich führst, denn du kennst mich.

Auch meine Sorgen um andere Menschen lasse ich dir. Ich spüre: mit meinen Sorgen bessere ich nichts. Ich werfe meine Sorge auf dich.

Die Angst vor der Übermacht anderer lasse ich dir. Du warst wehrlos zwischen den Mächtigen. Die Mächtigen sind untergegangen. Du lebst.

Meine Furcht vor meinem eigenen Versagen lasse ich dir. Ich brauche kein erfolgreicher Mensch zu sein, du segnest mich nach deinem Willen.

Alle ungelösten Fragen, die Mühe mit mir selbst, alle verkrampfte Hoffnung lasse ich dir. Ich warte auf dich, du wirst verschlossene Türen öffnen.

Ich vertraue auf die Kraft deines Geistes. Ich gehöre dir, Gott, – und mehr brauche ich nicht.

Amen

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