Gedanken zum Johannistag

Im Matthäusevangelium steht im 11. Kapitel ein interessanter Text mit der spannenden Frage: „Bist du es, der da kommen soll, oder sollen wir auf einen anderen warten?“

„Als Johannes im Gefängnis von den Werken Christi hörte, sandte er seine Jünger und ließ ihn fragen: „Bist du es, der da kommen soll, oder sollen wir auf einen anderen warten?“ Jesus antwortete und sprach zu ihnen: „Geht hin und sagt Johannes wieder, was ihr hört und seht: Blinde sehen und Lahme gehen, Aussätzige werden rein und Taube hören, Tore stehen auf, und Armen wird das Evangelium gepredigt; und selig ist, wer sich nicht an mir ärgert.“

Jesus soll sich ausweisen. Gelegentlich werden wir ja auch mal so angesprochen. Etwa, wenn wir eine ferne Grenze überqueren: „Würden Sie sich bitte ausweisen?“ Oder bei einer Polizeikontrolle: „Darf ich bitte mal Ihren Ausweis sehen?“

Von einem jungen Mann wird folgendes erzählt: Er machte in Frankreich Urlaub und verlor seinen Personalausweis. Er rief seine Mutter an, sie solle ihm den Pass schicken, damit er sich auf der Rückfahrt ausweisen könne. Die Mutter schickte nun den Ausweis an das angegebene Postamt, wo er einige Tage später eintraf. Der junge Mann ging zur Post und fragte den Schalterbeamten, ob etwas unter seinem Namen angekommen sei. ´Ja`, sagte der Mann, aber würden Sie sich bitte ausweisen?´

Eine verzwickte Sache! Er soll sich ausweisen. Aber das kann er nur, wenn ihm der Ausweis gegeben wird. Ausweglos, wie es scheint.

„Bist du es, der da kommen soll, oder sollen wir auf einen anderen warten?“ So lässt Johannes Jesus fragen. „Kannst Du Dich ausweisen?“ Verständlich, dass Johannes so fragt. Er hat sein ganzes Leben darauf eingestellt, dass er den Messias sieht. Er hofft auf Erlösung. Er wartet. Seit Jahren schon lebt er in der Wüste, lebt ganz kärglich und hofft darauf, dass seine Ausdauer belohnt wird. Die Zeit geht ins Land, nichts passiert. Dann kommt Jesus zu ihm, hinunter an den Jordan – und lässt sich von ihm taufen. Ein Lichtblick – aber noch nicht die Erlösung. Johannes wird festgenommen und ins Gefängnis geworfen. Alles andere als Erlösung!

Da kommen natürlich Zweifel. Gott scheint weiter weg als je zuvor. Und darum die bohrende Frage: „Bist du es, der da kommen soll?“ „Würdest du dich bitte ausweisen?“ Woran kann ich Dich erkennen?

Als Glaubende sind wir scheinbar in einer ganz ähnlichen Lage. Man fragt uns, was wir noch zur Kirche gehören. Und man tritt aus, wenn die Antwort nicht überzeugend ist. Man verweigert seinen Beitrag, wenn die Angelegenheit sich nicht lohnt. Und dass sie sich nicht lohnt, das scheint für viele ausgemachte Sache.

Kirche ist scheinbar auf Bestätigung angewiesen. Es geht ihr wie dem jungen Mann am Postschalter. Der steht da und kann sich nicht ausweisen. Ebenso stehen die Kirche und der einzelne Glaubende da – scheinbar davon abhängig, dass andere uns bestätigen.

Das ist bemerkenswert! Denn das widerstrebt ja ganz direkt dem, was wie selber davon halten. Ehrenamtlich Tätige investieren viel Zeit und Herz in die Sache. Viele Hauptamtliche haben ihre ganze berufliche Existenz damit verknüpft, die Familie, die Lebensplanung. Sie halten das Evangelium für die entscheidende Nachricht an alle Menschen. Ärgerlich nur: andere sehen das anders. Es scheint nicht eindeutig zu sein.

Allerdings: wenn wir ehrlich sind: begreifbar ist das auch schwer, wofür wir uns da einsetzen und was wir da verkündigen. Unbegreiflich ist es. Gott ist mitten unter uns, so bekennen wir, „in ihm leben, weben und sind wir“ (Apg. 17,28). Wir können das ja nie schlüssig beweisen. Bekennen ja, beweisen nicht.

Jedenfalls mit all dem Vordergründigen können wir uns nicht ausweisen. Das nimmt uns niemand ab. Da können wir noch so sehr herausstellen, was wir geleistet und hergestellt und organisiert haben. So wichtig das alles ist: es ist nicht unser „Ausweis“.

Unser Ausweis – um dieses Bild weiter zu gebrauchen – , ist letztlich nichts Vorlegbares, nichts mit Stempeln von Ämtern und Behörden. Unser Ausweis ist allein unsere Zuversicht, ist unsere Hoffnung. Da geht es uns so ähnlich wie Johannes dem Täufer. Der wollte ja auch wissen, ob er auf der richtigen Seite steht. Und die Antwort darauf hieß nicht: Du, Johannes, hast dies und jenes prima gemacht … Nein, die Antwort bezieht sich auf Jesus, allein auf ihn: In seiner Gegenwart werden Blinde sehend, Lahme gehend, Aussätzige rein. Und: seit er da ist, wird das Evangelium verkündigt, Frohe Botschaft!

Und so sind eben auch wir nicht in der Rolle Jesu. Wir haben keine Heilstaten aufzuweisen. Uns ist nicht verheißen, dass wir wegen toller Arbeit gelobt werden. Keinen Hinweis auch gibt es darauf, dass es sich „lohnt“, Kirchensteuer zu zahlen.

Wir sind nicht in der Rolle Jesu. Wir sind in der Rolle des Johannes. Wie er warten wir. Wir er hoffen wir auf Erlösung. Wie er haben wir eine Verheißung, der wir trauen. Wir er haben wir Fragen. Und wie er bekommen wir auch eine Antwort.

Die Antwort heißt: Gott kommt in unsere Welt. In, mit und unter unserem Tun handelt er. Das ist das Entscheidende.

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