Liebe Gemeinde,
der Tag von Adam und Eva. Ja, Sie haben richtig gehört, ihr habt richtig gehört! Der Tag – des Menschen! Es gibt eine Stelle in dieser Welt, da wird das ganz deutlich. Voriges Jahr haben wir uns eine Reise dorthin gegönnt, meine Frau und ich. Zu meinem 70. Geburtstag. Jerusalem! Grabeskirche. Man betritt sie durch einen Seiteneingang. Rechts führt eine Treppe hinauf zu den beiden Kapellen auf Golgatha. Golgatha: Schädelstätte.
Auf dem Boden ist hinter einer Glasplatte ein Stück Felsen zu sehen: hier sei der Schädel Adams begraben, so berichtet man. Direkt darüber: die Stelle, wo das Kreuz Christi gestanden haben soll. Welch ein Zusammenhang: die Zeiten überwölbend: Adam und Christus! Der neue Mensch wächst heraus aus dem Grab des alten Menschen. Viele Altäre zeigen dies. Am Fuß des Kreuzes: ein Totenschädel: Adam – der Mensch.
Die Legende sagt: Adam hat aus dem Paradies etwas mitgenommen: einen Ableger vom Baum der Erkenntnis. Daraus spross der Baum, aus dessen Holz das Kreuz Christi gemacht wurde,…auch die Krippe… Das hängt also engstens zusammen!
Wir kennen das als Liedstrophe: “Welt ging verloren – Christ wird geboren!“ – darum geht es heute. Das macht ihn einzigartig: den 24. Dezember. Und darum hat er zwei Namen: „Heiligabend“ und „Tag von Adam und Eva“.
Der 24. Dezember ist ja nicht eigentlich Weihnachten. Wir befinden uns im Moment am Vorabend von Weihnachten. Es geht um die richtige Vorbereitung auf das Kommen Jesu. Und dazu gehört die Lesung des 24. Dezember. Und das ist nicht die Geschichte von Bethlehem mit der Krippe; es ist die Geschichte vom Paradies – und wir haben sie gehört. Es ist die grundlegende Geschichte für die Menschheit.
Sie sagt uns: Dass es uns gibt, das ist kein Zufall. Gott hat uns geschaffen. Sie sagt uns aber auch: Wir können Gutes und Böses tun. Die Welt ist nicht nur schön, sondern kann auch sehr weh tun. Wir ahnen etwas vom Paradies, aber wir spüren: Wir leben nicht im Paradies. Da ist dieses Wissen tief in uns: eigentlich könnte es anders sein, mit mir, mit der Welt. Ich habe eine Idee davon, …aber ich weiß nicht, wie ich da hinkomme – ins Paradies zurückkomme. Ich kann mein Leben nicht ungeschehen machen; ich kann Versäumtes nicht nachholen, Schuld nicht wegwischen; „das Schlachtfeld des Lebens schlägt Wunden“. Eine universelle Verwundbarkeit – die verbindet uns miteinander, die sollte uns solidarisch miteinander machen (Papst Franziskus)…
Manch eine und manch einen hier hat es schwer getroffen in diesem Jahr. Tod, Krankheit, Flut… Schmerzen am Leib, Schmerzen an der Seele… Gestörte Beziehungen zu Menschen, auch zu Gott … an allen Ecken und Enden spüre ich das … Die Tür zum Paradies ist verschlossen. Ich lebe nicht in Gottes Nähe. Ich kann zwar unterscheiden zwischen gut und böse – aber ich verfehle so oft das Gute. Das ist es! Das macht den heutigen Tag aus! Am 24. 12., da spitzt sich diese Frage zu: Wer wird mich erlösen? Es ist die Frage des Menschen – es ist der Tag des Menschen.
Bin ich verloren, auf ewig fern von Gott – oder gibt es einen Neuanfang?
(Apfel zeigen!)
Und dann ist da der Apfel! Nichts symbolisiert den heutigen Tag besser als der Apfel! Wir kennen es: eine Frucht war es, mit der das Elend anfing… Die Schlange – Eva – Adam… Das Ding wird weitergereicht… Ich war es nicht …Er war es / sie war es… Der Apfel! Das Symbol für heute, den 24. Dezember!! Darin steckt die große Menschheitsfrage: Was ist die Antwort Gottes auf die bange Frage des Menschen: Wer wird mich erlösen?
Warum eigentlich der Apfel? Die Bibel weiß nur von einer Frucht allgemein. Im Mittelalter fiel den Menschen auf: Apfel heißt lateinisch malum – und das ist das gleiche Wort wie malum = das Unheil. Dassselbe lateinische Wort für „Unheil“ und für „Apfel“. Das Sprichwort war geboren: malum e malo: das Unheil kommt vom Apfel!
Aber Achtung! Diese Geschichte ging ganz schlimm auf Kosten der Frauen! Sie seien schuld an der ganzen Misere. Deswegen müsse der Mann über sie wachen und herrschen. Nein, das ist nicht biblisch! Jede und jeder steht als Einzelner vor Gott, sei es Frau oder Mann.
(zweiten Apfel zeigen)
Kanzel Marktkirche Goslar
Darum haben viele Künstler beiden eine Frucht in die Hand gegeben, Eva und Adam. Die Reformation hat darauf besonderen Wert gelegt! Gleichberechtigt. Wer sich die Bilder und Schnitzereien richtig anschaute, hat das verstanden.
Und das gilt auch für das, was am Heiligabend gespielt wurde…ich meine nicht das Krippenspiel…: ich meine das Paradiesspiel – in der Kirche; es ging dem Krippenspiel voraus. Eigentlich klar: sonst versteht ja keiner, worum es geht! Dann wird der Erlöser geboren – aber man versteht nicht, warum das nötig ist…
Genau genommen wissen wir bis jetzt, am Abend vor Weihnachten, noch nichts von dieser Geburt – und damit nichts von der Antwort auf unsere große Frage! Welt ging verloren, basta! Oder mit den biblischen Worten: die Tür zum Paradies ist verschlossen – der Cherub bewacht sie mit dem Schwert, keiner kommt rein. Und viele von uns kennen dieses Gefühl: ausgeschlossen zu sein vom Leben, nicht mehr zu können, aufgeben zu wollen…
Zu diesem Adam-und-Eva-Spiel am 24.12. gehörte natürlich auch ein „Baum der Erkenntnis“. Und nun kommt’s: wenn das Paradiesspiel vorüber war, blieb der stehen, …im Laufe der Zeit wurde daraus der Weihnachtsbaum. Und an dem hängt: ein/mehrere wunderbare Äpfel. Vollkommen,…Welch ein tiefsinniges Symbol! Damals, im Paradies, da war Adam der Bissen im Hals stecken geblieben. Unser „Adams-Apfel“…zeugt bis heute davon. Jetzt, am Christbaum ist alles wieder in Ordnung gebracht.
„Heut schließt er wieder auf die Tür, zum schönen Paradeis,
der Cherub steht nicht mehr dafür. Gott sei Lob, Ehr und Preis!“
Das werden wir gleich singen. Die Paradiesbäume strahlen…, Gott hat alles wieder in Ordnung gebracht – in Christus. Der Paradiesbaum: das ist der Baum, aus dem Krippe und Kreuz gemacht sind: Das tiefe Rot des Apfels – wie das Blut Christi, sein Leiden, uns zugute… – ist das nicht toll, wie tiefsinnig die Symbole von Weihnachten sind?!
…und die schönen Christbaumkugeln steigern das noch: vollkommen sind sie, glänzend, schön. Die Überwindung aller Schuld und allen Leidens zeigen sie an; – Zeichen der Erlösung.
„In Adam sterben wir alle, in Christus werden wir lebendig gemacht“!
(1. Kor.1522)
Amen
Ist Adam schuld an allem?
Das ist meine Frage an Sie. Ich habe Adam fiktiv vor Gericht gestellt. Sind Sie mit dem Urteil einverstanden?
Liebe Grüße, Winfried
ALLE SAGEN, ADAM WÄRE SCHULD
Jeder hat das Recht auf ein faires Gerichtsverfahren…auch und gerade Adam.
Der Staatsanwalt plädiert auf schuldig:
ADAM HABE BEWUSST UND ABSICHTLICH DEN BEFEHL GOTTES MISSACHTET UND DAMIT DER GANZEN MENSCHHEIT GROßEN SCHADEN ZUGEFÜGT.
Der Richter fragt Adam, ob er denn gewusst habe, dass er der ganzen Menschheit Schaden zufüge.
Adam sagte „Nein“, das habe er noch nicht einmal im Ansatz gewusst. Er wusste nur, dass er selbst angeblich sterben würde, wobei er sich auch nicht genau darüber im Klaren war, was „sterben“ bedeutet.
Weiterhin fragt der Richter, ob denn Adam sich der AUTORITÄT GOTTES bewusst war.
Adam meinte, dass da einer im Garten spazierte, der sich als „Gott“ ausgab. Was „Gott“ ist, wusste er auch nicht genau.
Der Spaziergänger im Garten behauptete, dass er ihn und auch alles im Garten geschaffen habe. Ob das so war, wusste er nicht.
Der Richter fragt Adam, ob er denn nicht wusste, dass er Gott gehorchen musste.
Adam sagte, dass der Spaziergänger im Garten zwar auf unbedingten Gehorsam bestand und sogar den Tod bei Missachtung androhte aber Beweise habe er nicht dafür gehabt, dass es auch stimmt. Nachher kam eine Schlange und hat auch Behauptungen aufgestellt und dem Spaziergänger widersprochen.
Der Richter fragt Adam, ob er sich denn nicht hätte denken können, dass der Baum gefährlich war.
Adam betonte, dass der Spaziergänger sagte, er sei lebensgefährlich aber die Schlange hätte das Gegenteil behauptete. Es stand Aussage gegen Aussage.
Der Richter fragt Adam, warum er sich denn jetzt für die Aussage der Schlange entschieden habe und nicht für die Aussage Gottes.
Adam wiederholte, dass er mit dem Begriff „Gott“ gar nichts anfangen könne.
Er habe dieselben Früchte schon oft gegessen und sei nicht gestorben. Dann hat die Schlange gesagt, man würde nicht sterben.
„Für mich war es einleuchtend, dass der Baum NICHT gefährlich war. Der Spaziergänger im Garten hat keinen Grund genannt, warum der Baum verboten sein soll. Es war einfach ein Befehl, den ich nicht eingesehen habe. Außerdem wurden Vorteile durch das Essen der Frucht von der Schlange in Aussicht gestellt.“ sagte Adam dem Richter.
Der Richter fragt Adam, warum er denn seiner Frau die Schuld gegeben hätte. Er hat sich doch selbst entschieden, zu essen.
Adam sagte, er sei durch das autoritäre Auftreten des Spaziergängers im Garten eingeschüchtert worden und habe schnell eine Ausrede gesucht. Jetzt, im Gerichtsverfahren überlege er sich, dass er gar keine Schuld habe.
DAS URTEIL:
Gott hätte sich als „Gott und Schöpfer“ besser ausweisen müssen, damit seine Autorität klar war. Eine Möglichkeit wäre gewesen, den Adam bei der Schöpfung seiner Frau zusehen zu lassen. Aber Gott hat ihn in einen Schlaf versetzt und ihm damit die Möglichkeit genommen, Hochachtung, Respekt und Dankbarkeit für ihn zu entwickeln. Adam wachte aus dem Schlaf auf und hat sich noch nicht einmal bei Gott für die Frau bedankt. Das zeigt, dass er den Schenkenden oder Schöpfenden nicht als solchen erkannt hat sonst hätte er als „perfekter“ Mensch „danke“ gesagt.
Adam ist leichtfertig mit seiner Entscheidung die Frucht zu essen umgegangen. Es stand immerhin eine Todesdrohung im Raum. Er hat offenbar eine „Bauchentscheidung“ getroffen, welche fatale Folgen für die ganze Menschheit hatte. Darüber hat ihn Gott allerdings nicht aufgeklärt, sodass er nur über die Folgen für sich informiert wurde aber nicht über die Folgen für alle seine Nachkommen. Insofern ist er nicht schuldig BEWUSST die „Sünde“ der Menschheit verursacht zu haben.
Seinen eigenen Tod hätte er verhindern können, wenn er vorsichtig gewesen wäre und immerhin die Möglichkeit gesehen hätte, dass Gott Recht hatte. Dies ist seiner Unerfahrenheit zuzuschreiben.
Das Urteil spricht Adam von „bewusster“ Schädigung der ganzen Menschheit frei, weil er über die Zusammenhänge nicht aufgeklärt wurde.
Er hat zwar „absichtlich“ den Befehl Gottes missachtet, aber er war nicht über die Weisungsbefugnis Gottes aufgeklärt worden außer von ihm selbst. Es stand Aussage gegen Aussage. Hätte die Schlange behauptet, ihn geschaffen zu haben, hätte er genauso wenig Grund gehabt, den Weisungen zu folgen wie bei Gott.
Adam bekommt einen Verweis, damit er das nächste Mal kritischer mit seinen Entscheidungen umgeht und vor einer Entscheidung die Hintergründe prüft und bei unklarer Lage auf eine Entscheidung gegebenenfalls verzichtet.
Letztlich reduziert sich die SCHULD auf den Vorwurf mangelnder Lebenserfahrung, welche nicht zum Vorwurf gemacht werden kann.
ADAM WIRD ALSO ALS VERMINDERT SCHULDFÄHIG BETRACHTET WIE ETWA EIN KIND UND WIRD SOMIT VON ALLEN VORWÜRFEN FREIGESPROCHEN.
Die Revision ist zugelassen.