Ist Karfreitag der wichtigste Tag?

Predigt zum Karfreitag .                               

Korinther 514b-21

„Der wichtigste Tag“, sagen manche, Karfreitag! Gerade wir Protestanten heben diesen Tag besonders hervor. Obwohl: da kann doch was nicht stimmen?! Ist nicht das Entscheidende Ostern: Auferstehung. Ohne Ostern wäre Karfreitag doch nichts, wäre das Ende…, aber trotzdem: Wir Evangelischen sind da hartnäckig und bleiben dabei. Karfreitag sticht heraus, ist sogar staatlich besonders geschützt. Das ist nicht überall so, in den katholischen Ländern Italien und Österreich etwa ist das nicht so. Karfreitag steht uns für Entscheidendes! Aber für was? Für Außenstehende erschließt sich das keineswegs! Und wenn Menschen aus anderen Kulturen in der Kirche den Gekreuzigten sehen: das ist alles andere als klar! Im Islam wird das für einen großen Irrtum gehalten. Jesus war ein großer Prophet, sagen die gläubigen Moslems, darum: Gott hätte nie und nimmer zugelassen, dass er am Kreuz stirbt.

Und auch viele Christen haben da Schwierigkeiten, selbst Theologen, Pfarrer. Der Goslarer Superintendent Henrici schrieb 1850: Die Kreuzigung Jesu „würde ich als Hauptpartie für einen neuen Altar nicht wählen. Mag sich der einmal im Jahre, am stillen Freitage, mit voller Seele der wehmütigen Erinnerung an den schmachvollen Tod des Unschuldigsten aller Sterblichen hingeben…“ Aber: „Warum sollen wir den Erlöser nicht lieber in seiner Verherrlichung, in seiner Auferstehungs- oder Himmelfahrtserscheinung… erblicken?“ „Dank sey es unserer gegenwärtigen Aufklärung, daß jener weinerliche und frömmelnde, nur in Buß-, Sünden-, Reue- und Trauergefühlen versunkene Zeitgeist entflohen ist“.

Zeitgeist? Oder Dreh- und Angelpunkt unseres Glaubens? Was ist so wichtig daran, dass da im Jahre 30 dieser Mann hingerichtet wurde? Was ist daran wichtig für uns? Was unterscheidet ihn von allen anderen, die gekreuzigt wurden? Diese Frage ist berechtigt! Sie bewegt Christen von Anfang an! Wir wissen ja: Viele der begeisterten Anhänger Jesu sind geflüchtet, als er festgenommen wurde! Sie wollten einen Sieger, keinen Verlierer! Die älteste Karikatur, die wir kennen, bezüglich Jesus Christus, ist eine Spottzeichnung: ein Esel am Kreuz! Den betet ihr an, einen Esel! Die frühesten Spuren schriftlicher Art sind die Paulusbriefe. Dem gelehrten Mann begegnet heftigste Kritik, als er behauptet, der Gekreuzigte sei der Messias! Seine Volksgenossen, die Juden, halten das für ausgesprochen ärgerlich, so etwas Absurdes zu behaupten – und die Griechen verwerfen es als geradezu verrückt, mit solch einer Botschaft durch die Lande zu reisen. Ja, man macht sich sogar über ihn persönlich lustig. Paulus war keine imposante Erscheinung, wohl auch kein großer Redner. Zudem geriet er wegen seiner öffentlichen Auftritte immer wieder in Schwierigkeiten mit der Obrigkeit. Er selber nahm all das an als gottgegeben, als eine Teilhabe am Schicksal Christi. Seine Gegner sahen das ganz anders – und zwar auch Christen wie er. Die griffen ihn massiv an – wegen seiner Verkündigung und wegen seiner äußeren Erscheinung – und wegen seiner Leiden!

Im 2. Korintherbrief werden wir in diesen Konflikt hineingezogen. Da heißt es:

„Von jetzt ab hat sich unsere Beurteilung von Menschen grundlegend geändert. Der Maßstab ist nicht mehr das, was äußerlich Eindruck macht. Auch Jesus, den Messias, habe ich vielleicht einmal so beurteilt, aber das ist Vergangenheit. Alle, die mit Christus verbunden sind, sind wie neu geschaffen. Das Alte ist vergangen, alles ist neu geworden.“ (2. Kor. 5, 16f nach Berger).

Ein neuer Maßstab! Es gibt einen neuen Maßstab für die Sicht auf das Leben, auf das eigene – und das Leben anderer. Eine Zeitenwende, eine Äonenwende. Paulus entgegnet seinen Kritikern: Eure Maßstäbe gehören einer vergangenen Zeit an! Sie gelten nicht mehr! Ihr beurteilt das Äußere! „Der neue Maßstab ist: Weil einer für alle gestorben ist, kommt sein Tod allen zugute, und wir alle sind tot für unsere früheren Verfilzungen und Lasten.“

Paulus benennt hier das Zentrum seiner Verkündigung! Er verteidigt sich gegen Leute, die in die korinthische Gemeinde eingedrungen sind und seine Verkündigung infrage stellen. Das Zentrum unseres Glaubens nennt er „Versöhnung mit Gott“. Ich lese das mal vor:

„Der Ursprung dafür liegt bei Gott, der Jesus Christus gesandt hat, damit er zwischen ihm und uns Versöhnung stiftet. Und mich hat er beauftragt, dabei zu helfen. Denn durch den Messias Jesus hat Gott Versöhnung zwischen sich und der Welt gestiftet. Er hat den Menschen in der Welt ihre Schuld vergeben und mich beauftragt, die Versöhnungsbotschaft auszurichten.“

Versöhnung… Paulus greift hier ein Wort aus dem zwischenmenschlichen Bereich auf: Versöhnung. Jede/jeder weiß, was das ist. Wenn zwei sich zerstritten haben, sich aus dem Wege gehen… dann wird das nur durch Versöhnung geheilt. Für Paulus beschriebt das das Zentrum seiner Verkündigung: Versöhnung! Das Entscheidende dabei: Die Initiative liegt bei Gott! Er versöhnt die Welt mit sich. Also: nicht der Mensch stimmt Gott versöhnlich durch ein bestimmtes Handeln. Nein, obwohl es der Mensch ist, der sich von Gott abwendet – Gott tut den entscheidenden Schritt, er versöhnt sich mit der Welt, mit den Menschen.

Und das passiert, wie er sagt, „durch Christus“, gemeint ist: durch seinen Tod, man kann auch sagen: durch sein Opfer… Man muss nur sehr aufpassen! „Opfer“ – das klingt für viele verdächtig… Was ist das für ein Gott, so sagen Kritiker, der Opfer verlangt, sogar seinen eigenen Sohn… Ja, die Fragen sind berechtigt! Allzu lange Jahrhunderte hat Kirche so getan, als gäbe es da eine Art „Logik“. „Satisfaktionstheorie“ in der Scholastik, Anselm von Canterbury: Gott muss durch ein allgenügsames Opfer versöhnt werden… und allein Christus konnte dieses Opfer sein…

Nein, so nicht! „Opfer“, das wird hier mit neuem Sinn gefüllt! Das bedeutet doch: Opfer sind damit abgeschafft! Es geht doch gerade nicht mehr um dieses: „gibst du mir, gebe ich dir“! Dieses Handeln und Schachern – worunter unsere Welt bis heute leidet… Es ist definitiv das letzte Opfer. Opfer! Natürlich können auch wir heute noch gut verstehen, was Opfer sind! Zahllose Menschen werden dem Moloch „Fortschritt“ geopfert, Länder ausgeplündert, Völker ermordet, …wir sollten bloß nicht so tun, als wüssten wir nichts damit anzufangen. Ja, wenn wir genau hinsehen, erkennen wir sie in unseren Straßen: die Opfer unserer Gesellschaft, die Einsamen, die Armen, die Vergessenen. Innergesellschaftliche Migranten. Menschen, die keinen Anschluss mehr an das normale Leben haben, selbst wenn sie physisch anwesend sind, mitten unter uns. Menschen, die scheinbar zu nichts mehr zu gebrauchen sind – Geopferte…

„Schluss damit“, sagt Gott. Ich will keine Opfer mehr! So gesehen ist das „Opfer“ Jesu eine Gabe an uns, an die Menschheit, ein letztes Opfer, eine unüberbietbare Gabe, die von uns Menschen nicht gutgemacht werden kann und braucht!

Das ist überhaupt die Pointe von allem, liebe Gemeinde, das Großartige und so schwer Verstehbare! Wir können und brauchen unsere Lebensbilanz nicht zu verbessern oder zu schönen… Im Gegenteil: wir können das nicht Gelungene abgeben. Alles, was uns am Leben und gelingenden Beziehungen hindert: weg! Wohin? An das Kreuz! „Christus ist für uns zur Sünde geworden.“ Das ist gemeint! Es geht nicht um einen „deal“, um ein Schachern mit Gott. Es geht um etwas total Einseitiges! Gott hat die Initiative ergriffen.

Er hat sich versöhnt,

er hat das Opfer beendet,

er hat uns losgekauft,

er hat die Strafe auf sich genommen.

Sie merken: man kann es auf unterschiedlichste Weise ausdrücken! „Opfer“ ist nur eine der möglichen Bezeichnungen. Ein Begriff aus dem Tempelkult. Opfer kennen wir – ich sagte es. Aber Altäre, auf denen ein Tier geopfert wird, kennen wir nicht mehr aus eigener Anschauung. Deshalb ist uns der Begriff auch etwas fremd. Das Gleiche gilt für den Begriff „Loskauf“. Auch der drückt aus, was Gott für uns tut. Allerdings stammt er aus der Sklavensprache. Auch das ist uns fremd… Aber es gibt ja andere Möglichkeiten, um das Gemeinte verständlich zu machen. „Versöhnung“ etwa. Das kennen wir. Es kommt im zwischenmenschlichen Bereich vor. Oder in Kategorien des Rechts: Freispruch. Wesentlich bleibt immer: er hat es getan, er tat den ersten Schritt… Nur so bleibt es Frohe Botschaft.

Das muss unbedingt weitergesagt werden! Paulus:

„So stehe ich als Gesandter im Dienst Jesu, des Messias. Es ist, wie wenn Gott durch mich die Menschen dazu auffordert: ‚Lasst euch mit mir versöhnen’. Darum bitte ich euch anstelle Jesu Christi. Jesus war ohne Schuld, doch weil Gott alle unsere Schuld auf sich geladen hat, wurden wir durch Jesus Christus von der Schuld freigesprochen und stehen daher so gerecht da, wie Gott es will.“

Das ist alles! Und das gilt für uns alle!

Amen.

Oster-Gedanken

Ich erinnere euch an das Evangelium, das ich euch verkündigt habe, das ihr auch angenommen habt, in dem ihr auch fest steht, durch das ihr auch selig werdet, wenn ihr´s festhaltet in der Gestalt, in der ich es euch verkündigt habe; es sei denn, dass ihr umsonst gläubig geworden wärt. Denn als erstes habe ich euch weitergegeben, was ich auch empfangen habe: Dass Christus gestorben ist für unsere Sünden nach der Schrift; und dass er begraben worden ist; und dass er auferstanden ist am dritten Tag nach der Schrift.   1. Korintherbrief 15, 1-4

 

Ohne Ostern gäbe es keine christliche Kirche! Die Geschichte hätte einen anderen Lauf genommen! Paulus ist davon überzeugt. Für ihn hängt alles an der Auferstehung. Ist Christus nicht auferstanden, so schleudert er den Kritikern entgegen, dann ist alle Predigt vergeblich. Er hält das Osterereignis für sicher überliefert, und es ist für ihn die Grundlage allen Glaubens. Diese starken Worte haben es heute schwer, gehört zu werden. Längst ist Ostern im öffentlichen Bewusstsein seines zentralen Inhaltes beraubt. Allenfalls wird das Empfinden des allgemeinen Werdens und Vergehens angesprochen – schließlich ist Frühling. Ansonsten dominieren Hasen und Eier. Kritiker der Überlieferung tun ein Übriges: sie „entlarven“ die Erscheinungen des Auferstandenen als subjektive Einbildungen. Wer wälzt diese vielen „Steine“ beiseite? Den Stein des Zweifels, den Stein der Destruktion, den Stein des Unglaubens?

 

Ich hoffe, dass zu Ostern im Sinne des Paulus gepredigt wird: dran festhalten! Dabei kann es nicht darum gehen, „Beweise“ dafür anzuführen, dass das Grab Jesu leer war. Bei Paulus steht davon – im Gegensatz zu den Evangelien – gar nichts. Aber wir dürfen den Erfahrungen der frühen Christinnen und Christen vertrauen! Überwältigend viele durften erleben: der Gekreuzigte lebt! Selbst der größte Kritiker wird nicht leugnen können, welche Lebensenergie aus dieser Gewissheit gewonnen wurde. Aber auch der Verstand muss nicht kapitulieren! Warum sollte der Tod eine Grenze für Gott sein?! Gott dem Schöpfer traue ich Neuschöpfung des Lebens zu. So, wie ich mir das Werden der Welt und meines Lebens nicht „vorstellen“ kann, so bleibt mir das „Wie“ von Auferstehung zwar verborgen. Aber die Welt hat einen Sinn auch da, wo ich ihn nicht erkenne. Es wird Zeit, das wieder zu erkennen, trotz und auch wegen des wissenschaftlichen Fortschritts. Was gibt mir das Recht, nur das für möglich zu halten, was ich sehen oder denken kann?

Absolutes Vertrauen

 

Predigt zum 9. Sonntag nach Trinitatis (18. August 2019)

Von vorn anfangen dürfen! Das Leben vor sich haben! Wissen, wozu man da ist! Etwas Schöneres kann es nicht geben. Einen Schlussstrich ziehen unter alles, was vorher war. Sich nicht mehr festlegen lassen auf das, was misslungen ist. Ballast abwerfen.

Ein Traum? Paulus hat ihn erlebt.

„Absolutes Vertrauen“ weiterlesen

Auferstehung

Ich erinnere euch an das Evangelium, das ich euch verkündigt habe, das ihr auch angenommen habt, in dem ihr auch fest steht, durch das ihr auch selig werdet, wenn ihr´s festhaltet in der Gestalt, in der ich es euch verkündigt habe; es sei denn, dass ihr umsonst gläubig geworden wärt. Denn als erstes habe ich euch weitergegeben, was ich auch empfangen habe: Dass Christus gestorben ist für unsere Sünden nach der Schrift; und dass er begraben worden ist; und dass er auferstanden ist am dritten Tag nach der Schrift.

  1. Korintherbrief 15, 1-4

 

Ohne Ostern gäbe es keine christliche Kirche! Die Geschichte hätte einen anderen Lauf genommen! Paulus ist davon überzeugt. Für ihn hängt alles an der Auferstehung. Ist Christus nicht auferstanden, so schleudert er den Kritikern entgegen, dann ist alle Predigt vergeblich. Er hält das Osterereignis für sicher überliefert, und es ist für ihn die Grundlage allen Glaubens. Diese starken Worte haben es heute schwer, gehört zu werden. Längst ist Ostern im öffentlichen Bewusstsein seines zentralen Inhaltes beraubt. Allenfalls wird das Empfinden des allgemeinen Werdens und Vergehens angesprochen – schließlich ist Frühling. Ansonsten dominieren Hasen und Eier. Kritiker der Überlieferung tun ein Übriges: sie „entlarven“ die Erscheinungen des Auferstandenen als subjektive Einbildungen. Wer wälzt diese vielen „Steine“ beiseite? Den Stein des Zweifels, den Stein der Destruktion, den Stein des Unglaubens?

Ich hoffe, dass zu Ostern im Sinne des Paulus gepredigt wird: dran festhalten! Dabei kann es nicht darum gehen, „Beweise“ dafür anzuführen, dass das Grab Jesu leer war. Bei Paulus steht davon – im Gegensatz zu den Evangelien – gar nichts. Aber wir dürfen den Erfahrungen der frühen Christinnen und Christen vertrauen! Überwältigend viele durften erleben: der Gekreuzigte lebt! Selbst der größte Kritiker wird nicht leugnen können, welche Lebensenergie aus dieser Gewissheit gewonnen wurde. Aber auch der Verstand muss nicht kapitulieren! Warum sollte der Tod eine Grenze für Gott sein?! Gott dem Schöpfer traue ich Neuschöpfung des Lebens zu. So, wie ich mir das Werden der Welt und meines Lebens nicht „vorstellen“ kann, so bleibt mir das „Wie“ von Auferstehung zwar verborgen. Aber die Welt hat einen Sinn auch da, wo ich ihn nicht verstehe. Es wird Zeit, das wieder zu erkennen, trotz und auch wegen des wissenschaftlichen Fortschritts. Was gibt mir das Recht, nur das für möglich zu halten, was ich sehen oder denken kann?